Der Weg

Du gehst.
Deinen Weg.
Gemächlichen Schrittes.
Deinen Weg.

Du hast mich unterwegs irgendwo aufgelesen.
Ich stand da, schaute mich um.
Vielleicht war ich irgendwie am Suchen, wohl nach dem Wohin.
Du trafst auf mich.
An irgendeiner Kreuzung.
Du drehtest dich nach mir um, fordertest mich auf mitzugehen.
Ich zögerte. Mein Schritt war nicht wie deiner.
Ich wollte mich umschauen, wollte genau hinsehen wo es langgehen soll.
Wollte wissen, wo er langgeht, dein Weg.
Ich blickte in deine Richtung.
Ich sah Steine dort liegen; Gestrüpp vor meinen Füßen.
Der Horizont, so dunkel, dunstig, unruhig.
Du warst in meiner Nähe, obwohl ich deine Anwesenheit nur erahnte.

Manchmal sah ich dich gar nicht. Selten sprachst du mit mir.
Doch immer wieder spürte ich dich, wenn du an mir zogst.
Weil du mich mitziehen wolltest auf deinem Weg.
Ich entschied dir glauben, wenn du mir versichertest, wie einfach dein Weg sei und wie klar.
Irgendwann kamen die Zweifel. Ich war mir nicht sicher.
War dies tatsächlich mein Weg?
Du sahst mich verständnislos an.
Du warst ja da, reichte mir das nicht?!.
Ich fiel in deinen Schritt und ging mit. Neben dir.
Ich wollte es scheinbar so.

Du gingst zügig weiter auf deinem so gewohnten Weg.
Ich ging mit, zuversichtlicher. Manchmal freudig, neugierig.
Ich strengte mich an, passte mich an - an den Weg, die Straße… an deinen Schritt.
Mal lief ich, mal stolperte ich, mal blieb ich außer Atem stehen.
Ab und zu blickte ich hoch und alles war fremd.
Um mich herum so vieles fremd.
Je öfter ich meinen Blick hob, desto öfter stolperte ich.
Dann bat ich dich innezuhalten.
Du schautest mich irritiert an, mit einem ungeduldigen Blick.
Und mit Unverständnis.
Unbegreiflichkeit. Dann gingst du wieder weiter.

Ich bat dich, eine andere Abzweigung zu nehmen.
Dort schien der Weg wäre einfacher für mich.
Er würde mir auch besser gefallen.
Du warst verwundert.
Warum wollte ich plötzlich deinen Weg nicht mehr gehen? Er war doch so klar.
Für dich.
Dein Weg.
Und so bat ich dich, mir deinen Weg zu erklären, deine Schritte zu beschrieben, dein Ziel zu zeigen.
Du lachtest mich aus, verstandest die Frage nicht.
Das war doch einfach. Denn er war so klar. Dein Weg. Für dich.
Du gingst ihn doch schon so lange.
Du hattest ihn dir ausgesucht, dich der Straße schon vor langer Zeit angepasst.
Du kamst stets so gut weiter.
Selten zwang er dich zum Stehenbleiben, dein Weg.
Du musstest schon so lange nicht mehr über deine Schritte nachdenken.
Du brauchtest doch nur einfach weiter zu gehen.
Und ich bräuchte nur das Gleiche zu tun.

Ich versuchte dir meinen Weg aufzuzeigen, bat dich auch ein Stück mitzukommen
Auf meinem Weg. Das nahmst du nicht wahr.
Ich bat dich, einen gemeinsamen Weg zu finden. Einen dritten Weg.
Du hast mich verständnislos angeschaut.

Ich fing an stehenzubleiben. Immer öfter stehenzubleiben.
Selten geselltest du dich dazu.
Meist gingst du einfach weiter.
Die Distanz zwischen uns wurde immer größer.

Wenn wir mal reden, werden unsere Stimmen immer lauter.
Wir werden  uns bald gar nicht mehr hören; verstanden haben wir uns eh selten.
Sehen tun wir uns längst nicht mehr.
Du drehst dich nicht um zu mir, schaust nicht, wohin ich hin will.
Du gehst unbeirrt weiter.
Auf deinem Weg.
Ich bräuchte ihn nur einfach mitzugehen.
Deinen Weg.
Aber es ist nur dein Weg.


Ich drehe mich um, gehe weg, du gehst ja nicht mit mir.
Auf einem neuen Weg.

Auf einem gemeinsamen Weg.

 

Du gehst deinen Weg.


Kreuzungen an denen wir innehalten...

 

Du hast mir verraten, dein Leben sei wie ein Traum.
Diese Träume, in denen man sich selbst hinterher läuft.
Und plagen würdest du dich, und wie, um das Leben noch zu erwischen.
Und immer eine kurze Zeit-Strecke zu spät.
Wie ein Garnröllchen das hinter seinem Faden herläuft.
Ein Leben als Garnröllchen. Immer deinem Faden hinterher.
War es das? War das alles? Das hast du mich gefragt.

Ariadne läuft vor dir her, habe ich dir dann verraten.
Du siehst sie nicht, siehst nur den fliehenden Faden den sie in ihrer Hand hält.
Das Leben am Faden.

Du denkst zu viel.
Und du merkst nicht, dass auch du Fäden ziehst.
Weißt du welche Fäden du hältst, ziehst?
Du willst gebraucht werden, wichtig sein.
Du willst nicht nur Krümel neben der Kaffeetasse sein.
Eher der Kaffee zu den Krümeln, hast du lachend betont
Der Kaffee auf dem Schreibtisch. Da nutzt er am meisten.
Und die Krümel, was sollen die dann dort? Absonderungen auf einem Schreibtisch?
Wie Buchstaben auf dem Bildschirm, der davon zugemüllt wird.
Krümel? Etwa ein paar 'ss, l's, oder t's, oder ü's und o's und f's und w's und……?!
Wer hat sie verloren? Sie sehnen sich nach Bedeutung so wie du.
Die Sucht des Sehnens. Du hast sie in deinem Bauch.
Die Krümel sehnen sich nach der Sprache.
Die Sucht des Sehnens nach der Sprache, in der Sprache - dieser wunderschönen deutschen Sprache. Die, die das Sehnen erst erfunden hat.
Was sind dagegen das yearning - brama - ardeur - ansiedad….
Schöne Klänge, doch nichts weiter.
Sie kleben ja bloß am Gaumen wie die Rossini-Torte meiner Großmutter.

Du möchtest dich zurückträumen in die Zeiten, als du noch wählen konntest wo du lang gehst?
Erstens: konntest du das jemals besser als heute?
Zweitens: wieso glaubst du, du kannst das jetzt nicht mehr?
Drittens: rückwärts drehendes Zeitrad - à quoi bon, wozu gut?!
Leben rückwärts - lieben, leiden, warten? Nein, es sind nicht nur die schönen Stunden, die rückwärts gelebt werden wollen!

Du willst die Welt neu zusammensetzen, sagst du.
Auflösen der Moleküle und sie neu formen - eine neue Welt, unbelastet.
Sogar neue Ur-Gerüche - die der Liebe, die der Angst. Neu definieren.
Unbelastet sich entfremden, unbelastet sich begegnen - kein Sehnen mehr.

Das wäre deine Offenbarung, deine Chance.
Statistikunkonform.
Doch, ich darf! Ich darf Worte erfinden, wenn du solche Träume träumst!

Was ich will? Welche Frage.
Das Gleiche. Wie du. Das Leben verstehen.

Aber ich werde es nicht verstehen, das weiß ich.

Was ich dann will, fragst du mich.
Ich will es lieben, das Leben. Einfach nur lieben.

Ich will es leben, das Leben. Einfach nur leben.

 


Wege schlagen

 

Hart lande ich im Bett

meiner ausgelaugten Träume,

die mir ihre Decke längst entzogen.

Daunen haken in meinem Haar

von Kissen die sich aufgelöst.

Mein Fall ist grob,

sein Wandel unausweichlich.

Er wird weitergehen,

zum Schweben werden,

durch den Boden hindurch

ins Endlose.

Ein anderes Bett,

mit einer Decke grün und gelb

und roten Kissen

fängt mich auf.

 

Noch leitet mich ein Sehnen

nach dem Ausruhen,

nach dem Geruch von frischen Träumen

und ungeschlagenen Wegen.

Ich habe die Sichel neben mir,

sie ist geschliffen

vom Willen meiner Stärken,

der Stärke meiner Schwächen.

Sie ist Teil von mir,

scharf und sanft.

 

Dann streichle ich die Orchideen,

die Falter leiten meine Hand

und sollten sie entschwinden,

tragen mich kommende Träume

in das nächste Land.

Es ist das Land der Möglichkeiten

eine Welt in meiner Welt.

 

Mein Urwald ist vertrocknet,

doch tiefe Wolken 

voll ungeduldigem Regen

warten bereits

sich mir zu öffnen,

und allen Blüten, ungeboren.

 

Sie wissen um ihr neues Leben

so wie ich.

 



.ZUSAMMENARBEIT

 

Was hab' ich im Griff

fragt zögernd die Hand

und schaut irritiert

auf die greifenden Finger.

 

Es heben zwei Arme

die zuckenden Schultern

nah an den drückenden Kopf.

 

Ich seh' nichts,

flüstert das blinzelnde Auge.

das Ohr stellt sich taub,

die Nase muss rümpfen.

 

Der Mund reißt groß auf

und lockert die Zähne

zwischen denen die Zunge sich streckt.

 

Im Hals pfeift die Luft.

Nach ihr schnappt die Lunge

voll Gier.

 

Derweil schluckt der Rachen

was der Magen sich wünscht.

Der leitet weiter

was er nicht mehr mag.

 

Das schlingt sich durch Wege

die lang und gewunden.

Die üben das Loslassen

nur unter Druck.

 

Überfüllten Becken

geht's an die Nieren

sich entleerend hinter

geöffneten Schleusen.

 

Auf trippelnden Füßen

machen sich zwei Beine

zum Hinsetzen breit -

stets zum Laufen bereit.

 

Die Hand greift noch immer

nach Halt ohne Halte.

Sie greift in die Leere

damit sich das Herz

 

mit Zuversicht füllt.